Einige meiner Impressionen während des Wun Hop Kuen Do – Lehrgangs
mit Sigung Al Dacascos
Es bedarf meiner nicht aufzuzählen, ein Mann welchen Ranges Sigung Al Dacascos ist, welche Fähigkeiten er besitzt, welche Preise er gewann, welche Titel er erwarb – dessen gerecht zu werden versuchten vor mir bereits etliche, die ihm näher standen und es daher besser konnten, als ich es je täte – um zu verdeutlichen wie sehr Vorfreude und Ehrfurcht in mir rangen, als ich die Halle betrat, in welcher der Lehrer meines und vieler hervorragender Lehrer seine Weisheit, welche mich bislang nur indirekt berührte, jedoch so hell leuchtet, dass sie meinen Lebensstil und meine Prioritäten – und jene vieler – über die Distanz mindestens eines Ozeans hinweg so stark zu beeinflussen im Stande ist, selbige unmittelbar mit mir teilen würde. Einmal im Jahr neigt sich, so wie an diesem Tag, die Sonne, zu der wir, die sich aufrichtenden Lorbeerblätter, durch welche sich die Schülerschaft im Vereinswappen symbolisiert, emporstreben, herab, um uns, welche ihren Schein sonst aus so großer Ferne empfangen, einmal aus nächster Nähe zu beschenken.
Ich nahm zum ersten Mal an einem Seminar des Wun Hop Kuen Do – Verbandes teil und da sich das diesjährige durch die Besonderheit der Zusammenkunft mehrerer Schulen, anlässlich des gemeinsamen Auftretens dreier Großmeister auszeichnete, war ich entsprechend überwältigt, als ich feststellte, über welchen Einfluss der kombinierte Faustkampfstil in Hamburg verfügt. So war vielleicht gerade jedes dreißigste ein bekanntes Gesicht und die hohe Dichte an Orange-, Blau- und Braungurten verteilte sich vornehmlich auf die Schüler von Sifu Efstathiadis und Co. Als aber Sigung, welcher mir, als ich ihn das erste mal sah, mit einem gütigen Ausdruck in den Augen den Blick erwiderte, dennoch eine Aura um sich und seine Gattin legte, welche es mir nicht gestattete zu Ihm rüberzumarschieren und ihm aufgeregt die Hand zu schütteln, die wissbegierige, schwarz-weiße Masse aufforderte sich in räumlich effizienter Weise aufzureihen, war es egal, welche Schule die buntesten Schüler vorzuweisen hatte, denn als sich schließlich jeder mehr schlecht als recht in seiner Reihe eingefunden hatte, wurde eines offensichtlich: Es gibt nur eine Schule und einen Lehrer und jeder von uns ist nur hier, um von diesem Tag soviel mitzunehmen, wie er nur kann.
Nach der Begrüßung, die wohl jeder so sauber ausführte wie sonst selten, erteilte Sigung das Wort aber an Sifu Eric Lee und ich war ein wenig irritiert, als dieser prompt die erste Griffkontertechnik vorführte. Diese Verwunderung hielt aber nicht lange vor, denn natürlich waren diese drei Meister nicht meilenweit gereist, um uns dabei zuzusehen, wie wir Liegestützen machten.
Sifu Eric zeigte unter anderem, wie wir einen Angreifer abwehren, der versucht unsere Beine zu greifen, um uns umzuwerfen, wie wir uns aus einer engen Umklammerung befreien, wenn es scheint, dass unsere Arme blockiert sind und dass es nur einer kleinen Ausweichbewegung auf einen geraden Fauststoß bedarf, sich in eine Position zu versetzen, aus welcher eine Kontertechnik möglich ist, die in fataler Weise auf das Genick des Gegners abzielt. Ohnehin ergänzte Sifu Eric seine Ausführungen häufig in komischer und gleichzeitig hochernster Weise, beispielsweise mit den Worten „ … and if he´s not dead yet, you do this and he propably is.“ So endete fast jede Technik, sofern sie real ausgeführt worden wäre, mit schlimmen Auswirkungen für Sifus Dolmetscher und Trainingspartner, welchen er selbst am Boden noch mit einem angedeuteten Schlagtrommelfeuer übersäte. Als uns dann nach etwa einer Stunde Sifu Ron Lew aufforderte, unsere Stöcke herbeizuholen ( „I´m going to teach you how to eat with Chopsticks…“ ) erhielten wir einen Einblick in die Kunst des philippinischen Stockkampfes Escrima. Sifu Ron sah zu jedem der drei Basisangriffswinkel (von links, von rechts, von oben) eine Abwehrbewegung vor, welche den äußerst humorvollen Mann, dessen äußerliche Erscheinung einen Vergleich zu dem der Großmeister aus älteren Kung Fu – Filmen nicht einmal allzu unpassend dastehen lässt, in die Lage versetzte, eine dem Chin Na ähnliche Mechanik des Zwingen und Kontrollierens dazu zu nutzen, eine höfliche Verbeugung für seinen Angreifer recht schmerzvoll zu gestalten. Nachdem Sifu Ron uns, die wir zum ersten Mal einen Stock während des Trainings in Händen hielten, dem Erproben des soeben Gezeigten überließ, mutete das fuchtelnde Treiben zwar recht dilletantisch an, doch fanden wir nach und nach heraus, dass es bekannte Elemente waren, die wir anwandten und dass jede Technik, auch von einem vielfachen Schwarzgurt ausgeführt und um zwei Stöcke bereichert, die selben physikalischen Eigenschaften der Knochen, Sehnen und Gelenke nutzt, wie es schon die Gelbgurtanforderungen tun.
Sifu Ron beendete seine Unterrichtseinheit mit der Darbietung eines demonstrativen Schauspiels, dessen Zweck die Veranschaulichung des Variantenreichtums dieser Elemente war. Er forderte seinen Dolmetscher auf, ihn mit einem Stock anzugreifen. Ehe dieser es sich versah hatte ihn Sifu schon entwaffnet. Der ließ sich wiederum seinen ersten Stock abnehmen, eroberte sich jedoch sogleich des Gegners zweiten zurück. Dieses Spiel nahm bereits nach wenigen Durchgängen rapide an Geschwindigkeit zu, glich so schon bald einer witzhaften Jackie Chan – Choreographie, bediente sich aber nach wie vor den Basisprinzipien, der in den Anfängerkursen gelehrten Chin Na – Techniken. ´Nur Übung bringt die Routine, welche nötig ist diese Prinzipien rasant nutzen zu können, ohne lange nachdenken zu müssen.` war die Quintessenz der Worte, mit denen Sifu Ron schließlich an Sigung Al Dacascos übergab.
In einem großen Kreis versammelten wir uns um diesen und lauschten: „In a Fight, when your enemy is using a weapon, you have two options, two safe positions: Either very far away or very close by.” Sigung instruierte einen der zahlreichen Sifus, mit einem Stock auf Ihn loszugehen. Dem Radius des Schlages entglitt er, indem er seinem Angreifer entgegentrat und aus dieser Position die Bewegung mit gekreuzten Armen an ungefährlicher Stelle auffing und so an ihrer Vollendung hinderte. Anschließend führte er die Waffe im Uhrzeigersinn zur Hüfte des Gegners. Urplötzlich flog der halb meterlange Stock in hohem Bogen durch die Halle und landete polternd weit außerhalb des Zuschauerkreises. Sigung erklärte, Er habe in der Uhrzeigerbewegung mit der linken Hand den Daumen der gegnerischen Waffenhand umschlossen und mit der Rechten den Griff des Messers, welches durch den Stock simuliert werden sollte, fixiert. Als er dann beide Hände in einer kraftvollen Bewegung entgegendrehte, löste die eine den die Waffe umschlingenden Griff, während die andere den so frei werdenden Stock aus des Gegners Reichweite fegt. Ein Angriff aus jedem Winkel (von links, von rechts, von oben etc.) ließe sich mit dieser Technik aufhalten, da die Uhrzeigerbewegung 360 Grad abdeckt, an jedem davon begonnen werden kann und immer am Selben endet. In diesem Zusammenhang erörterte Sigung: “It´s always better to know one technique very well, wich is useable in many situations, but to know hundrets for one situation each.” Eine Technik sei zudem besser, je simpler sie ist. Und funktioniert sie, so bestehe kein Bedarf, sie auszuschmücken und damit unnötig zu verkomplizieren.
Noch bis in den späten Abend hinein wurden diesem Motto folgend flexibel anwendbare Blocks und Griffe vorgeführt und selbst erprobt, bis Sigung kurz nach dreiundzwanzig Uhr zur Grundaufstellung forderte, um abschließend einige Worte speziell an uns niederrangige Schüler zu richten.
Drei Säulen bilden die Basis eines guten Kämpfers: Kraft, Technik und Geist. Viele gute Kämpfer sah Sigung untergehen, welche die Techniken beherrschten, die Kraft besaßen aber nicht den Geist. Der Geist des Wun Hop Kuen Do: Daa heißt aufzustehen, wenn man liegen bleiben will. Unser Feind ist klug, wenn er uns angreift, während wir schwach sind, müde sind, Bauchschmerzen haben etc. Doch genau dann mit plötzlicher Kraft einen Angriff zu starten, daß ist es, womit der Feind nicht rechnet. Aus diesem Grund erweist sich das Training als besonders effizient, wenn es in Phasen der Schwäche, trotz Bauchschmerzen oder Müdigkeit ausgeführt wird.
Das werde auch ich mir in Zukunft auf die Fahnen schreiben und so bleibt mir abschließend nur zu sagen, dass dies zweifelsohne ein lohnenswerter Abend und eine außergewöhnliche Erfahrung war, wenn mir auch eine etwas persönlichere Atmosphäre lieb gewesen wäre, denn seien es die zahlreichen Schwarzgurte, welche die drei Großmeister umlagerten und ein wenig von einem exklusiven Club ausstrahlten oder aber die Tatsache, dass Sifu Timmermann nach dem Gruppenfoto verkünden ließ, der Hausmeister bitte um ein baldiges Beenden der Veranstaltung, woraufhin Sigung sich mit seiner Familie und den zwei Freunden zurückzog, etwas hinderte mich auch dann noch, als Zeit für Autogramme auf Papier und T – Shirt war, mit ihm zu sprechen, weshalb ich mir für das nächste Jahr wieder einen Lehrgang im kleineren Kreise wünschen würde.
von Kai Mohrmann – Schüler im Wun Hop Kuen Do
Kung Fu im Alstertal: http://whkd-alstertal.de